Schrift und Schnitt
Nicht umsonst verwendet das Angelsächsische für Schnittmeister und Redakteur den identischen Begriff: Editor. Wie der »Kötter« im Schnittraum ist der Redakteur täglich damit befasst, ein Konvolut von Angeboten und Möglichkeiten in die gewünschte Form zu bringen, Entscheidungen zu treffen, zu kürzen, zu ergänzen, das Tempo des Textflusses zu erhöhen oder zu drosseln.
Dennoch findet das Gewerk der Montage in der Filmkritik inhaltlich nahezu keine Beachtung. Immer noch muss der Schnitt scheinbar ins Auge springen und die Wahrnehmung nachhaltig beeindrucken, um vorzukommen: Erst als 1987 MTV Europe auf Sendung ging, eroberte der Schnitt die Aufmerksamkeit der Filmkritik. Der Begriff der »MTV-Ästhetik« machte die Runde, wenn sich die Bilder etwa wie in Oliver Stones »Natural Born Killers« (1994) einen rasenden Wettlauf lieferten. Rezensionen thematisierten sportliche Höchstleistungen, die als ästhetische und technische Innovation gefeiert oder als kultureller Untergang des Abendlandes verdammt wurden. Bald aber setzte Gewöhnung ein, der Schnitt liegt in der medialen Wahrnehmung längst wieder weit abgeschlagen hinter Regie, Buch und Kamera, ist zumeist nicht einmal einen Credit wert.
Das erstaunt, denn die Kritiker müssten es eigentlich besser wissen: Gerade den Textproduzenten sollte der Montageprozess vertrautes Terrain sein – denn was ist Schreiben anderes als das Montieren von Worten und Bildern, als Assoziieren und Konstruieren? Und wäre nicht gerade in einer Zeit der medialen Dominanz des Bildes die Beschäftigung mit dem Gemachten der Bilder, den Konsequenzen und Effekten ihrer Verbindung von essentieller Bedeutung? An diesen neuralgischen Punkten setzt der diesjährige Themenschwerpunkt von Film+ an: Vier Panels sollen das ambivalente Verhältnis von Schnitt und Schrift, Montage und Kritik ausloten, das wechselseitige Verständnis vertiefen und so erste Brücken schlagen.
Die Themenpanel »Filmkritik und Montage«
Nachdem es im letzten Jahr verschiedene Diskussionsforen zum Thema »Drehbuch und Montage« gegeben hat, lotet in diesem Jahr der Themenschwerpunkt das Verhältnis von Schrift und Schnitt aus.
Werkstattgespräch Georg Janett. Der Schweizer Schnittmeister im Spiegel der Filmkritik
Samstag, 29. November 2008 um 17.00 Uhr
(in Kooperation mit dem Schweizer Syndikat Film und Video)
Der kritische Blick – Filmeditoren und Texteditoren im Gespräch
Sonntag, 30. November 2008 um 17.00 Uhr
(in Kooperation mit der Zeitschrift »Film&TV Kameramann«)
Sahneschnitte live – Der Editor als Kritiker
Montag, 1. Dezember 2008 um 15:30 Uhr
Über Montage schreiben – Ein Vortrag von Prof. Dr. Gerhard Schumm
Montag, 1. Dezember 2008 um 14:00 Uhr
Alle Themenpanel finden im
Filmforum im Museum Ludwig statt.